von Wilfried Harfst zur 450 Jahrfeier von Neuenwege
Fische fangen, hier kaum vorstellbar. Und doch wird in und um Neuenwege geangelt. Es liegen Aal- und Fischkörbe in den Bäken und Kanälen. Neuenweger Bürger waren mit dabei, als sich der Verein gründete und sind es heute noch. Im Vorstand haben sie entscheidend dazu beigetragen, daß der Verein so groß wurde. Etwa ein Fünftel unseres Gebietes liegt in Neuenwege und der Blankenburger Mark.
Mit dem Bau des Hemmelsberger Kanals wurde Neuenwege vom Oberwasser aus Tweelbäke, Hemmelsberg, Altmoorhausen und dem Hatter Raum entlastet. Viele Bäken und Gräben verloren an Bedeutung. Das Wasser war noch unbelastet, wie es heute heißt. Die Fische hatten ideale Lebensbedingungen. Flache Uferzonen und Überschwemmungsgebiete waren beste Laichgebiete. Wenn das Wasser zurückging, z.T. erst Ende April, und der Weißfisch aufstieg, galt das Gebiet der “Mar” als besonders fischreich.Um die Jahrhundertwende gab es nur wenig Regularien, die die Fischerei einschränkten. Mit der Aalforke wurde dem Aal nachgestellt und der Hecht, der im klaren Wasser zu sehen war, mußte vor der Forke flüchten. Stieg der Brassen auf, wurde er in Fischreusen und -körben gefangen. In voller Breite wurden z.T. Bäken und Gräben abgesperrt. Die Folge war, daß der Fisch nicht weiter konnte und der Oberlieger am Wasser leer ausging.
Durch das Fischereirecht haben die Behörden versucht, mittels Berechtigungsscheinen und Verordnungen diese Streitigkeiten in den Griff zu bekommen. Nicht nur Wüstinger, sondern auch Holler Bürger hatten ständig Ärger wegen des Fischens.
So schlossen sich Anfang der 30er Jahre 20 Bürger zusammen und gründeten den Fischereiverein Wüsting (1. April 1934). Aus Neuenwege gehörten zu den Gründern: Wilhelm Thümler (1934), Heinrich und Gerhard Heinemann (1934), Wilhelm Schröder (1938), Georg Carstens (1938) sowie Gerd Siemen (1940). Die Gewässer der Holler und Blankenburger Sielacht sowie der Wasserachten wurden gepachtet.
In dem Protokoll vom 13. April 1946 steht: “ Unser Vereinsführer D. Kunst eröffnete um 16:00 Uhr die Versammlung. 17 Mitglieder waren anwesend. Durch erheben von den Plätzen wurde unseren gefallenen Sportfreunden gedacht. Dann wurde zur Tagesordnung übergegangen. Wegen der Kriegsereignisse sei nichts unternommen worden. Gewässer und Geräte erlitten keine Schäden….” So nahm der Verein kurz nach dem Krieg die Arbeit wieder auf. War die Wettern und die alte Hunte für die Holler Gruppe wichtig für einen erfolgreichen Fischzug, so galt für die Wüstinger Gruppe dasselbe für die Gewässer der “Mar”.
Für uns Jungen war es damals immer ein großes Erlebnis. Mit dem “Vorstecker” sperrte man das Siel ab und die Kuhle hinter dem Pumpwerk mit dem “Grot Netz”. Beide Netze wurden so gezogen, daß sich die Fische in der Mitte des großen Netzes sammelten. Langsam, ganz langsam wurden sie an Land gehoben. Jeder war neugierig: “wie viele sind im Sack”. Zufriedene Gesichter sah man, wenn jeder 3 bis 4 Brassen mit nach Hause nehmen konnte. Waren es weniger, wurde schnell ein “Schuldiger” gefunden; er hatte zu schnell gezogen, der Vorstecker war nicht richtig befestigt, wir Kinder zu laut, das Wasser zu hoch oder zu niedrig und und …
Nach einer Pause bei Hans Köhler in Iprump ging es zur “Neuen Brake”. Ein Flügel wurde am Ufer befestigt und im großen Bogen zog man das Netz durch die Brake. Die Fische wurden portionsweise am Deich verteilt. Eventuell gefangene Hechte wurden anschließend verlost. Merkwürdigerweise bekam der Losverteiler immer den größten Hecht. Ebenso wie die Älteren verdrückten auch wir Jüngeren uns gerne beim anschließenden Netze aufhängen bei Düser.
Im Jahre 1964 wurde der Brookdeich durchstochen. Das Wasser aus dem höher liegenden Blankenburger Feld floß jetzt durch den neu gebauten Oberhauser Kanal durch die Alte Hunte nach Holle. Der Siel mit dem Pumpwerk in Iprump wurde geschlossen. Sielwärter Wilhelm Schröder (verst. 10.01.2002, 97 Jahre) hatte dadurch weniger Arbeit. So manches Mal wird er von seinem oben am Deich liegenden Haus über “de Mar” geblickt haben.
Mit diesem Durchbruch senkte sich der Wasserstand um etwa einen Meter. Die jährlichen Überschwemmungen blieben aus, die flachen Bäken und der Siel verlandeten (heute Naturschutzgebiet). Bei der anschließenden Flurbereinigung wurden weiter Gräben zugeschüttet. Neue Wege wurden angelegt und betoniert. Die notwendige Erde dazu wurde neben der Brillenbäke ausgebaggert. So entstand die Zwillingskuhle, die heute im Besitz des Fischereivereins ist. Diese Maßnahmen brachten große Erleichterung für die Landwirtschaft. Das Loten der Gräben entfiel, der Trecker konnte bei der Heuernte eingesetzt werden, und das Vieh war jetzt vom Frühjahr bis in den Spätherbst auf den Weiden.
Wegen des jetzt fehlenden flachen Ufers und tiefer liegender Flächen (Pütten) hatte der Fisch, insbesondere der Hecht, weniger Laichmöglichkeiten. Er zog sich zurück. Dazu kam, daß sich das Wasser trübte. Ursache war und ist, daß im Bereich der alten Tweelbäke und des Blankenburger Feldes im Untergrund Raseneisenstein vorkommt. Dieses liegt nun nicht mehr im Wasser und gibt Eisen ab, das gleiche gilt für den Ortstein, der durch Tiefpflugarbeiten gebrochen wurde. Damit die Gräben nicht verkrauteten, bepflanzte man sie mit Bäumen und Sträuchern. Die fehlenden Wasserpflanzen erleichterten sehr die Pflege, aber dadurch wurden Schadstoffe nicht mehr ausgefiltert. (Wir kennen dieses Prinzip von den Pflanzenkläranlagen.) Hier immer den richtigen Weg zu finden ist nicht leicht. Erste Maßnahmen, wie das Anlegen von Schutzgebieten und das Zurückschneiden von Bäumen und Sträuchern scheinen Erfolg versprechend zu sein. Gut zu beobachten ist dies am und im Graben am Brookdeich. Im Sommer wächst er zu, wird im Herbst mit modernen Geräten gereinigt und im Winter und Frühjahr hat er Ruhe. Eine wissenschaftliche Untersuchung im Jahr 1995 ergab, daß daher der Fischbesatz vielfältiger als anderswo war.
Mit der Zusammenlegung der Siel- und Wasserachten zu einem Gebiet ergab sich für den Verein, daß das gesamte Gebiet des Entwässerungsverbandes Wüsting (jetzt Unterhaltungsverband) gepachtet werden konnte. Hinzu kam später noch der Tweelbäker See.
Das Netz kann jetzt nur noch in der Alten Hunte gezogen werden, was jährlich dreimal durchgeführt wird. Das Interesse am Angelsport wurde immer stärker, so daß die Mitgliederhöchstzahl von 40 auf 80 Mitglieder angehoben wurde. Nach der Anerkennung des Vereins als “gemeinnützig” gab es keine Einschränkung in der Höhe der Mitgliederzahl mehr, so daß jetzt über 500 Personen an unserem Vereinsleben teilnehmen können. Mitglied im Verein kann nur der-/diejenige werden, der/die vorher die Fischereiprüfung abgelegt hat und bei dem/der die Generalversammlung der Aufnahme zugestimmt hat.
Die wichtigste Aufgabe des Vereins ist die Pflege der Gewässer. Es werden Ufer befestigt und von Bewuchs befreit, Gräben gereinigt und Sträucher geschnitten. Jedes Mitglied bis zum Alter von 60 Jahren ist verpflichtet, an zwei Arbeitsdiensten teilzunehmen. Besonders der jährliche Einsatz am Tweelbäker See ist arbeitsaufwendig. Neben den aufgeführten Arbeiten müssen hier noch 300-400 Pfähle eingespühlt und ca. 60 m² Erde angefahren und eingebaut werden. Zur Belohnung für diesen harten Arbeitstag gibt es mittags die leckere Erbsensuppe von Ina. Ich glaube, einige von uns kommen nur deshalb. Die Planung und Durchführung gehört zu den Aufgaben der fünf Gewässerwarte, die es immer bestens organisiert haben. Auch werten sie die Fanglisten aus, regeln den Bestand der Fische durch Besatzmaßnahmen und entnehmen Wasserproben und werten sie aus.
In unseren Gewässern fühlen sich die Fische wohl. Es ist zu erkennen an den guten Fangergebnissen. Waren es früher hauptsächlich die Brasse, der Aal, die Schleie und der Hecht, so sind heute noch der Karpfen, der Barsch, der Zander und die Forelle dazu gekommen. Diese Fische sind hauptsächlich durch Besatz in unsere Gewässer gelangt. Auch Kleinfische wie Rotfeder und Rotauge, Aland, Giebel, Moderlieschen, Steinbeißer, Stichling, Kaulbarsch, Bitterling, und die Teichmuschel sind vorhanden.
Der Eisvogel, der Haubentaucher und der Fischreiher sind in unserem Gebiet heimisch und finden reichlich Nahrung. Früher gab es hier keine Kormorane, heute jagen sie fast überall, sogar die kleinen Gräben werden von ihnen nicht verschont.
Neben dem Netz ziehen gibt es noch fünf gemeinsame Angelveranstaltungen: Früh morgens trifft man sich, angelt 4 – 5 Stunden, unterhält sich dabei, Frühstück wird meistens mitgebracht, ißt die eine oder andere Bratwurst und freut sich auf die Tombola, die am Schluß stattfindet. Eine Wertung dieses Tages findet nicht statt. In der Herbstversammlung werden interessante Themen vorgestellt, Dias gezeigt und von namhaften Referenten Vorträge gehalten. Anschließend kommt es zur Versteigerung von gespendeten, gebrauchten Angelgeräten. Der Erlös geht an Jugendgruppen und Kindergärten aus dem Gebiet des Vereins. Ende November findet der jährliche Skatabend statt. Seit 15 Jahren sind die Huntorfer Angler unsere Gäste.
Mit den anderen Vereinen hat sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt. Wenn wir vom Jakkoloclub, der Landjugend, den Sport-, Heimat-, Bürger- oder Reitvereinen zu Veranstaltungen und Umzügen eingeladen wurden, nahm meistens eine Abordnung oder Mannschaft daran teil.
Mit den Landanliegern der Gewässer versucht der Verein alle eventuell auftretenden Fragen sofort zu klären. Dabei wird er unterstützt vom Verpächter, dem Unterhaltungsverband Wüsting. Beide Vorstände treffen sich regelmäßig. Eine gute Zusammenarbeit war jederzeit gegeben, besonders duch die Vorsitzenden.
Wer bei der Gründung des Vereins 1. Vorsitzender wurde, ist aus den Protokollbuch nicht ersichtlich. Erste Berichte sind erst ab 1938 vorhanden. Der erste Vereinsführer war Dietrich Kunst bis 1970, es folgte Herbert Zengel, der den Vorsitz 1976 an Herbert Pape weiter gab. Herbert Pape war bereits seit 1964 als Gewässerwart im Vorstand tätig. Am 19 März 2002 übernahm das Amt des 1. Vorsitzenden der Vereinswirt Wolfgang Mertins. Als Dank für seine erfolgreiche Arbeit wurde Herbert Pape zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Der 1. Vorsitzende wird unterstützt vom Schriftführer, Kassenwart sowie deren Stellvertreter, den Gewässerwarten, dem Gerätewart, dem Ehrenrat und dem Festausschuß. Zusammen versucht man die Gemeinschaft zu erhalten und jedem die Möglichkeit zu bieten, sein Hobby, dem Angeln und Fischen in freier Natur nachzukommen.
Der Verein wird weiter durch intersive Pflegemaßnahmen dazu beitragen, daß die Tiere und Pflanzen im und am Wasser gute Lebensbedingungen vorfinden. Dieser Beitrag zu einer gesunden Umwelt wird immer wichtig für unseren Verein bleiben und damit für alle, die hier wohnen, also auch für die Neuenweger.